1. Neoklassische Combining forms (Teil 1)
Unter neoklassischen Combining forms sollen hier Wortbildungs
Auf der Grundlage einer nachklassischen Form gebildet wurde etwa benzo-3, dessen Etymologie wie eine Odyssee anmutet: Zugrunde liegt letztlich ein aus Sumatra stammendes Harz. Die Araber verwechselten Jawa mit Sumatra und brachten den "jawanischen Weihrauch", arab. [lʊbanʤawɪ] über ihre Handelsbeziehungen zu Südostasien nach Spanien und Italien. Dort wurde das anlautende lo- in sp. lobenjuí bzw. it. lobengiuì bald als bestimmter Artikel mißverstanden und abgetrennt. Über fr. benjoin entstand engl. benzoin und deutsch Benzin. Für die Alchimisten/Chemiker war das Harz aus Sumatra, für das sie die mittellateinischen Formen benzoe und benzoinum4 (1626) schufen, eine wahre Fundgrube: Sie gewannen daraus "Benzoësäure": benzoic acid, und "Benzol": benzene. Die Combining form benzo- steht für diese beiden Verbindungen.
1.1.1. Zur Bedeutung neoklassischer Sprache
Lateinisch war auch nach seinem Aussterben als Alltagssprache die Sprache der Wissenschaft. Diese klassische Tradition hielt bis ins 17. Jhd. an: Harvey und Newton etwa schrieben ihre großen Werke auf Latein.5Auch in späteren Jahrhunderten bedienten sich Wissenschaftler des Lateins, wenn sie ihre Erkenntnisse auf internationaler Ebene austauschen wollten. Die Rolle als internationale Wissenschaftssprache hat erst in diesem Jahrhundert das Englische voll übernehmen können.
In der Biologie z.B. ist es aber auch heute noch üblich, bei Entdeckung einer neuen Tier- oder Pflanzenart, diese mit einem lateinischen Namen zu belegen. Bei der immensen Anzahl an wissenschaftlichen Entdeckungen in nachklassischer Zeit sind allerdings sehr viele Wortungetüme produziert worden, in denen der Name eines Entdeckers oder der eines Entdeckungsortes zwanghaft latinisiert wurde, so etwa im Bereich der Botanik:
lat. | engl. | dt. |
Pinus engelmanni | Engelmann pine | Engelmannkiefer |
Abies bornmuelleriana | Bornmueller fir | Bornmüllers Tanne |
oder im Bereich der Mikrobiologie Bakterien wie:
Daß, wie bei
1.2. Verlagerung der klassischen Bedeutung
In ähnlicher Weise fällt auf, daß sich die Bedeutung einer klassischen
Form in nachklassischer Zeit verlagert:Im klassischen Latein bedeutete
z.B. virus "Schleim, Gift, Geifer". Von Bedeutung für die Combining
form
1.2.1. Homonymenbildung durch Clipping
Oft existiert auch neben einer Combining form mit klassischer Bedeutung eine zweite homonyme Form mit verlagerter Bedeutung: Hierbei übernimmt ein Teil einer klassischen Verbindung durch Clipping auch die Bedeutungsmerkmale des anderen Teils: So bedeutet eco- meist nicht gr. oί̃koV, "Haus", wie in economy, ecology, sondern es bedeutet als Clipping selbst "Ökologie", wie z.B. in eco-catastrophy, ecophysiology, ecosphere, eco-activist, eco-freak.
Die Form
Die Combining form tele- steht bei heutigen Bildungen zumeist nicht mehr für "entfernt, weit, fern", wie in telepathy und telescope, telegram, sondern viel häufiger für "television", wie in telecast, teletext, telestudio, teledrama, telechair etc. oder für "telephone", wie in tele-ad, telelecture, telesale etc..
1.2.2. Bedeutungsänderung der Verbindung
Es kann auch vorkommen, daß zwei Combining forms, die auch schon zu klassischer Zeit in jeweils dieser Bedeutung als Wortbildungselemente existierten, in ihrer Verbindung heute eine andere Bedeutung haben als damals; so bedeutete biolόgoV "Schauspieler, einer der das (menschliche) Leben in Worten darstellt"6, eine Bedeutung, die mit der eines heutigen biologist nichts mehr zu tun hat.
1.3. Hybridbildungen
Das stärkste Argument schließlich, warum man Combining forms, die auf das Griechische oder Lateinische zurückgehen, als neoklassisch bezeichnen muß, ist schließlich die Tatsache, daß sie Hybride bilden.
1.3.1. Rein neoklassische Hybride
Beispiele hierfür sind Kombinationen mit je einer griechischen und einer lateinischen Komponente, wie
audiophile, automobile, biodegradable, cacodorous, ecocide, fructolysis, gravimeter, polycellular, protoculture, meritocracy.
1.3.2. Hybride aus je einem neoklassischen und einem nicht-neoklassischen Element
Hybride werden auch als Verbindungen klassischer Elemente mit Formen aus modernen Sprachen, etwa mit dem Englischen selbst gebildet, wie z.B. in speedometer, clapometer.7 Bauer führt jazzophile. (Bauer 1983: 214)
Das OED verzeichnet Bildungen auf
International durchgesetzt hat sich eine Hybridbildung der Formen
bureaucracy, bureaucrat.
Auch der erste Bestandteil in squirearchy ist französischen Ursprungs (frz. esquier). Da die Verbindung allerdings im Französischen auch nicht mit e-Protheticum belegt ist, muß man sie wohl als englisch-griechischen Hybrid bezeichnen.
X. Exkurs: Pseudoklassische Formen
Letztgenannte Formen, die aus dem Französischen oder dem Englischen stammen, sind selbst nicht neoklassisch. Wenn, was hier offen bleiben soll, eine gewisse Frequenz ein notwendiges Kriterium der Combining form ist, so sind die meisten dieser pseudoklassischen Formen noch nicht einmal als Combining forms zu bezeichnen. Um dies auch in der Gliederung deutlich zu machen, sollen pseudoklassische Formen hier im Rahmen eines Exkurses behandelt werden.
Pseudoklassische Formen gehen mit neoklassischen Combining forms
Verbindungen ein und geben sich dabei deren äußere Form. Hierbei wird zu einem freien Morphem des Englischen durch Anhängen des Formativs
Bauer meint, daß das Anhängen dieses Formativs unterbleibt, wenn die initiale nicht-klassische Form bereits auf Vokal einschließlich des in der Received Pronunciation (RP) vokalischen
Dem widersprechen die Belege brokerocracy und countyocracy. Das Anhängen eines Fugenvokals unterbleibt wohl tatsächlich, wenn das nicht-klassische Morphem ohnehin bereits o-ähnlich auslautet, wie im Falle von bureau. Der o-ähnliche Auslaut wird dann allerdings bei gleicher Graphie je nach den Akzentverhältnissen des gebildeten Wortes einmal betont als
Ein Fugenvokal wird auch dann nicht angehängt, wenn das
Ausgangsmorphem mit einer vokalisch anlautenden Combining form
- etwa
Innerhalb der RP handelt es sich jedoch auch bei squire-
Ein Spezialfall ist debtno- in debtnocrat10 Ob das zusätzliche -n- in
debtno- hier von techno- in technocrat beeinflußt ist oder ob es sich
bei einem debtnocrat nicht vielleicht sowieso um einen debt-
clothesaholic (Cha), computerholic (OED); foodaholic (Web), newsaholic (OED), spendaholic (OED) und workaholic (OED)
geht auf Clipping (Wortkürzung) zurück. Zugrundezulegen ist alcoholic. Anders als bei der möglichen Analyse
Auch die geclippte Form
Zwar sind die Etyma der Formen
Im Gegensatz zu den terminalen Formen
Schon wegen ihrer zu geringen Frequenz werden diese pseudoklassischen Formen von keinem englischen Wörterbuch als Combining forms geführt, was allerdings noch nicht impliziert, daß sie keine sind. Erhebt man allerdings eine gewissen Grad an Kombinierbarkeit zum wesentlichen Merkmal der Combining forms, so sind sie auszuschließen.
Eine Ausnahme ist hier
X.4. Morphemgrenze pseudoklassischer Formen
Die Frage, ob es sich bei der ersten Konstiuente einer pseudoklassischen Verbindung um eine Combining form handelt oder nicht, würde
sich erübrigen, wenn man sie, was man bei synchroner Betrachtung
tun kann, nicht in Zusammensetzung mit
1. Neoklassische Combining forms (Teil 2)
Nach dem Exkurs über pseudoklassische Formen, über deren Zugehörigkeit zu den Combining forms die Wörterbücher aufgrund zu geringer Frequenz keine Aussage machen können, kann jetzt mit der Beschreibung der Charakteristika neoklassischer Combining forms fortgefahren werden.
1.4. Struktur der neoklassischen Combining forms
1.4.1. Der Fugenvokal
Als Charakteristikum neoklassischer Zusammensetzungen fällt der Fugenvokal auf. Als Fugenvokal von Combining forms aus dem Griechischen ist -o- am weitaus häufigsten, weshalb viele Wörterbücher besonders häufig gebrauchte terminale Combining forms wie -logy,
Bei synchroner Analyse der neoklassischen Combining forms könnte es tatsächlich auf den ersten Blick von Vorteil erscheinen, den Fugenvokal nicht der initialen, sondern der terminalen Combining form zuzuschlagen. Die konkrete Realisation des Fugenvokals richtet sich nämlich nach der Endung. Je nachdem wird er in
trigonometry | wie | [ɒ] |
in | |
trigonometric | und | |||
trigonometrical | aber wie |
ausgesprochen.
Allerdings muß es sich bei dem Fugenvokal etwa zu -meter, -metry und
aquametry, bathymetry, longimetry, telemetry11
Auch hier hängt zwar die konkrete Realisation des Fugenvogals von der Endung ab; um welchen Vokal und um welches Graphem es sich hier im Prinzip handelt, hängt aber von der initialen Folge ab.
1.4.1.2. Lexikographische Erwägungen
Nicht zuletzt lexikographisch-praktische Gründe verbieten es daher,
den Fugenvokal der terminalen Combining form zuzuordnen: Würde
ein Lexikon derart verfahren, so müßte es unter den Einzeleinträgen
Die etymologisch korrekte Zuordnung des Fugenvokals zur initialen Combining form erleichtert überdies den Vergleich dieser neoklassischen Internationalismen in verschiedenen Sprachen. In anderen Sprachen mag wegen festerer Akzentverhältnisse die Realisation des Fugenvokals keinen oder geringeren Schwankungen als im Englischen ausgesetzt sein. Dort entfällt dann das phonische Argument für eine Zuordnung zur terminalen Combining form. Vergleiche den Fugenvokal im Deutschen:
sowohl | Trigonometrie | ||
als auch | trigonometrisch | wie [o] |
In Einzelfällen kann sich auch eine etymologisch nicht korrekte Form international durchsetzen, dann nämlich, wenn eine terminale Combining form sehr kurz ist und ohne einen anlautenden Fugenvokal Verwechslungsgefahr mit einem Suffix besteht; z.B. bei
1.4.2. Tilgung des Fugenvokals
Ein fast durchgängiges Prinzip einiger Wörterbücher des Englischen, so des Collins Dictionary of the English Language und des Longman Dictionary of the English Language ist es, für initiale Combining forms jeweils neben einer Variante mit, auch eine Variante ohne auslautenden Fugenvokal anzugeben und darauf hinzuweisen, daß die Variante ohne vokalischen Auslaut dann zum Tragen kommt, wenn mit einer vokalisch anlautenden Combining form kombiniert wird.
Man kann stattdessen auch eine Tilgungsregel formulieren: Initiale neoklassische Combining forms verlieren prävokalisch den vokalischen Auslaut.
mono- | + | = monarchy | |
leuko- | + | = leuk(a)emia | |
electro- | + | = electric | |
electro- | + | = electrode | |
metallo- | + | = metallurgy |
Man beachte aber Ausnahmen, bei denen der auslautende Vokal der initialen Combining form nicht getilgt wird, wohl weil er als distinktives Merkmal des Stammes fungiert:
poly- | + | = polyandrous | |
di-13 | + | |
= diode |
Bemerkenswert sind auch initiale Combining forms, deren auslautender Vokal einmal prävokalisch getilgt wird, ein anderes Mal aber nicht:
tetra- | + | |
= tetrarch |
tetra- | + | |
= tetraethyl |
1.4.3. Initiale Combining forms ohne Variante mit Fugenvokal
Bauer behauptet, es gäbe zu jeder initialen Combining form ohne Fugenvokal mindestens eine Variante mit Fugenvokal. (Bauer 1983: 214)
Das Gegenbeispiel hierzu bietet die Chemie: Zu nennen sind hier ethane und alkane. Die "Alkane" sind gesättigte Kohlenwasserstoffe, d.h. zwischen den einzelnen Kohlenstoffatomen der Verbindung bestehen keine Mehrfachbindungen. Diese Tatsache wird durch terminales
methane | CH4 | |
ethane | ||
propane | ||
butane | ||
pentane | ||
hexane | ||
heptane | ||
octane | usw. |
Bis einschließlich butane sind die Bezeichnungen mit einer eigenen, nur in der Chemie verwendeten initialen Combining form gebildet:
meth- | zu | gr. mέJu, Wein |
eth- | zu | gr. aίJήr, Äther |
letztlich wohl zu | gr. prω̃toV, der Erste und gr. pίwn, Fett15 | |
zu | gr. boύturon, Butter |
Ab einschließlich fünf Kohlenstoffatomen Länge bedienen sich die Chemiker der auf der Grundlage griechischer Numeralia gebildeten Combining forms, die auch in anderen Disziplinen als der Chemie Verwendung finden und zu denen auch Varianten mit vokalischem Auslaut existieren, z.B. in decapod, "Zehnfüßler" und pentagon, "Fünfeck". In diesem Zusammenhang interessieren daher nur die ersten vier Glieder der Alkanreihe.
Jedes Kohlenstoffatom kann vier Bindungen eingehen. Eine Doppel- oder Dreifachbindung zwischen zwei Kohlenstoffatomen linearer Kohlenwasserstoffe ist erst ab ethene möglich. Das Vorhandensein genau einer Doppelbindung wird durch die terminale Form
ethene | |
|
ethyne | ||
propene | ||
propyne | usw. |
Als Oberbegriff spricht man dann von alkene bzw. alkyne.
Mehrere Mehrfachbindungen sind erst ab drei Kohlenstoffatomen
Länge möglich. Das Vorhandensein zweier Mehrfachbindungen wird
mit den Combining forms
propadiene | |
butadiyne |
Entsprechend existieren triene, triyne, enyne, dienyne usw. sowohl in Verbindung mit initialer neoklassischer Combining form, als auch als freie Formen16.
Varianten initialer Combining forms mit vokalischem Auslaut
existieren also von propa- an aufwärts. Nicht belegt sind vokalisch
auslautende Varianten hingegen für meth-, eth- und alk-, da sie nur
an vokalisch anlautende terminale Formen treten können. Die Form
meth- tritt außer in methane nur noch in der Bezeichnung methyl auf,
wobei die Form
methyl | H3C- | |
ethyl | usw. |
Wegen zu geringer Frequenz wird meth- in keinem Wörterbuch verzeichnet. Als einzige unstrittige Beispiele neoklassischer initialer Combining forms, zu denen keine Varianten mit vokalischem Auslaut existieren, verbleiben somit alk- und eth-. Letzteres verzeichnet Longman zu Recht als Combining form. Zumindest in diesem Fall muß der Behauptung Bauers, es existiere zu jeder initialen Combining form mindestens eine Variante auf Vokal, widersprochen werden. (Bauer 1983: 214)
Die Formen eth- und alk- sind Spezialfälle, die auch vernachlässigt werden könnten. Sie sind hier dennoch in aller Länge vorgestellt worden, weil derselbe Gedankengang unter 5.5.1. noch einmal relevant werden wird, nämlich bei der Beantwortung der Frage, ob es sich bei
Morpheme sind die kleinsten bedeutungtragenden Einheiten eines Sprach
Betrachtet man aber gängige Beispiele terminaler neoklassischer Combining forms, so stellt man fest, daß diese ihrerseits aus mehreren Morphemen bestehen, und zwar zumeist aus je einem lexikalischen und einem funktionalen Morphem:
aus | + | ous | |||
aus | |
+ | al | ||
aus | |
+ | ic |
Mit Ausnahme des OED geschieht dies auch bei allen untersuchten Wörterbüchern. Chambers verzeichnet, wie eingangs bereits behandelt, überhaupt fast nur abgeleitete und damit dimorphemische terminale Formen als Combining forms und versieht alle übrigen mit dem Zusatz "in composition".
Aber auch initiale Combining forms können ihrerseits wiederum
aus mehreren Morphemen bestehen. So verzeichnet das OED zoologico-
(zoologico-archaeologist) als Combining form zu
Zusammenfassend läßt sich also zur Struktur der neoklassischen Combining forms folgendes festhalten:
Terminale wie initiale Combining forms müssen nicht unbedingt Morpheme oder Morphemvarianten sein; sie können aus mehreren Morphemen bestehen.
Von wenigen Ausnahmen (ethane, alkene) abgesehen, besitzen
neoklassische Verbindungen einen Fugenvokal. Dieser gehört zu einer
initialen Combining form. Der Vokal wird in aller Regel von der initialen Combining form getilgt, wenn diese an eine vokalisch anlautende
terminale Form tritt. (Ausnahme:
Die konkrete Realisation des zur initialen Combining form gehörenden Fugenvokals richtet sich nach der Endung, an die er tritt (terminale Combining form, Kompositionsglied oder Suffix).
1.5. Distribution der neoklassischen Combining forms
Bauer muß auch in einem weiteren Punkt widersprochen werden,
nämlich wenn er ausführt, daß sich "finale" Combining forms
Während electrolyte, electrophile, electrophonic, und electroscope alle existierten, seien *electroness, *electroization, *electroesque, etc. alle nicht möglich. (Bauer 1983: 214)
Was ist aber mit einer Form wie electric? "Die Form electro-
leitet sich aus electric ab und nicht umgekehrt", so mag Bauer hier
einwenden. Bei diachroner Betrachtung mag dies zutreffen. Bei rein
synchroner Betrachtung läßt sich electro- aus electric aber ebensogut ableiten, wie umgekehrt: Vor dem mit Vokal anlautenden Suffix
1.5.1. Diachrone Betrachtung
In diachroner Betrachtungsweise kann electric nicht auf die Combining form electro- zurückzuführen sein: Die Form electric ist laut OED zum ersten Mal in einem Zitat von Newton belegt (Er sprach 1675 von "The electric virtue of the glass"), während die Combining form electro- erst 1749 in einem electrometer auftritt.
Aber es existieren auch Gegenbeispiele von Combining forms, die das OED als älter belegt, als entsprechende Adjektive auf Suffixe wie
astronomer, astrologer | (1382) | älter als | astral | (1605) |
chirographer | (1483) | älter als | chiral | (1894) |
cyclometry | (1656) | älter als | cyclic | (1794) |
gigantomachy | (1606) | älter als | gigantic | (1612) |
glossographer | (1607) | älter als | glossal | (1860) |
glottology | (1841) | älter als | glottal | (1846) |
aber | jünger als | glottic | (1839) | |
laryngotomy | (1661) | älter als | laryngal | (1818) |
lithoglyphic | (1623) | älter als | lithic | (1797) |
meteorologician | (1588) | älter als | meteoric | (1631) |
und | älter als | meteorous | (1667) | |
metrology | (1816) | älter als | metric | (1866) |
rhinoceros | (1400), | |||
rhinobyon | (1858) | und | ||
rhinoscope | (1861) | älter als | rhinal | (1864) |
sacrosanct | (1601) | älter als | sacral | (1882) |
seismometer | (1841) | älter als | seismic | (1858) |
und | älter als | seismal | (1864) | |
sporophorous | (1879) | älter als | sporal | (1882) |
thermometer | (1633) | älter als | thermal | (1756) |
Nun kann man einwenden, daß es sich bei den auf der linken Seite stehenden Belegen ja nicht um Combining forms handelt, sondern um lexikalische Einheiten, die komplett aus Fremdsprachen ins Englische übernommen wurden und deren Bildung außerhalb des Englischen erfolgte, lange bevor dort entsprechende Combining forms produktiv wurden.
So werden etwa astrologer, astronomer und rhinoceros wohl
kaum im Englischen aus ihren Bestandteilen gebildet, sondern direkt
aus dem Griechischen entlehnt sein. Bei den übrigen Belegen, sowohl
den neoklassischen Verbindungen, als auch den Adjektiven auf die
Suffixe
1.5.2. Synchrone Betrachtung
1.5.2.1. Lexikographische Erwägungen
Solch weitgehende diachrone Betrachtungen, die sich über Sprachgrenzen hinweg erstrecken, dürften aber für Benutzer eines gängigen einsprachigen Wörterbuchs, wenn überhaupt, nur von nachrangigem Interesse sein: Sie werden sich primär dafür interessieren, welche Verwendungsmöglichkeiten für eine bestimmte, im Wörterbuch verzeichnete Combining form bestehen. Die Information, daß sich electro- und astro- mittels Suffigierung in electric und astral überführen lassen, ist dabei von weitaus größerer Bedeutung, als die ohnehin nicht mit letzter Sicherheit zu klärende Frage, ob dies der historischen Realität entspricht.
1.5.2.2. Erwägungen des Spracherwerbs
Dafür, daß man hier einer synchronen Betrachtungsweise den Vorzug gibt, sprechen auch die Prozesse des Erwerbs von Englisch
In ähnlicher Weise dürfte ein Kind im Prozeß der sprachlichen Sozialisation im Englischen in aller Regel zunächst mit thermometers und erst danach mit thermal waters in Berührung kommen. Umgekehrt sei eingestanden, daß ihm Adjektive wie: central, electric, gigantic, graphic, metric, phenomenal, sacral, social und technical früher geläufig sein werden als entsprechende Combining forms in Formen wie: centrosome, electrolyze, gigantomachy, graphology, metronome, phenomenology, sacropictorial, sociology, technology.
Wenn hier auch die Beispiele, bei denen Combining forms von einem Adjektiv abgeleitet erscheinen, gegenüber denjenigen Beispielen überwiegen, bei denen sich dies genau umgekehrt verhält, so tun sie dies doch hier im Rahmen einer synchronen Analyse, innerhalb derer diese Frage letztlich ebenso müßig anmutet, wie jene nach der Henne und dem Ei. Will man eine allgemeingültige Aussage über Combining forms treffen, so läßt sich weder das eine noch das andere ausschließen: Adjektive können mittels Suffigierung aus Combining forms und Combining forms können bei Ersetzung des Suffixes durch einen Fugenvokal aus einem Adjektiv hergeleitet werden.
1.5.3. Distributionelle Definitionen
1.5.3.1. (Fach)Wörterbücher
Bauers These, daß nur terminale Combining forms und nicht auch Suffixe mit einer initialen Combining form eine Verbindung eingehen können, widerspricht auch das Longman Dictionary of Applied Linguistics (1985) in seinem Eintrag unter "Combining form":
combining form
Der These Bauers widersprioht auch Webster's New World Dictionary, Third College Edition (1988):
"combining form a word form that occurs only in compounds, or in
compounds and derivatives, and that can combine with other such
forms or with affixes to form a word
Noch weiter geht Webster's Third New International Dictionary
"combining form n : a linguistic form that occurs in compounds or
derivatives and can be distinguished descriptively from an affix by
its ability to occur as one immediate constituent of a form whose
only other immediate constituent is an affix
Webster's3 Definition ist nicht sehr homogen: Sie legt willkürlich hier distributionelle, dort morphologische und schließlich etymologische Kriterien zugrunde. Der letzte, etymologische Definitionsteil verwendet überdies den Begriff, den er definieren soll und ist damit zirkulär.
Unangemessen erscheint der erste Definitionsteil, der Combining forms nur dann als als solche wertet, wenn sie Affigierungen zulassen oder von freien Morphemen abgeleitet sind. Angesichts der immensen Zahl von Combining forms allein aus dem Griechischen und Lateinischen und der darunter doch recht begrenzten Zahl derjenigen Combining forms, für die Suffigierungen belegt sind oder die freie Varianten haben, sind diese Kriterien kaum tauglich.
1.5.3.2. Distributionelle Definition Surek-Beckers
Auf den ersten Blick praktikabler erscheint hier die rein distributionelle Definition der Combining forms, die Surek-Becker im Rahmen ihrer Magisterarbeit vorgelegt hat:
"Combining Forms sind gebundene Morpheme oder gebundene Morphemvarianten mit der Fähigkeit der Kombination mit gebundenen Morphemen oder Morphemvarianten." (Surek-Becker 1981: 47)
Weiter unten - und auch sie steht damit im Widerspruch zu Bauer - führt sie aus, daß "ein weiteres unabdingbares Merkmal der combining
forms darin" bestehe, "daß sie alle mit gebundenen Morphemen bzw.
gebundenen Morphemvarianten zu Wortsyntagmen verbunden werden
können
Einmal abgesehen davon, daß der Morphembegriff auf Combining forms nicht anzuwenden ist, übersieht Surek-Becker hierbei allerdings, daß ihre sogenannten Suffixe
Über die terminale Form
Dies geschieht zu Recht, da man
Daß auch Formen wie
1.5.3.3. Distributionelle Definition Bauers
Weniger verbindlich als in bezug auf initiale Combining forms
Bauers Zurückhaltung ist hier auch berechtigt, denn die Formen
ana-: | anadromous, anagram, analogy, analyze |
cata-: | catadromous, catalogue, catalyze |
dia-: | diadromous, diagram, dialect, diameter |
epi-: | epiboly, epicarp, epigram, epigraph |
endo-: | endocarp, endoscope |
exo-: | exocarp, exogamy |
hyper-: | hyper(a)emia |
hypo-: | hyponym |
peri-: | periscope |
retro-: | retrograde |
Bezeichnend ist in diesem Zusammenhang eine gewisse Unsicherheit der Lexika bei der Klassifizierung als Präfix. So etikettieren - jeweils abweichend von den übrigen untersuchten Lexika - Longman und Collins exo- und Webster's retro- als Combining form. Chambers legt sich nicht fest und spricht außer bei epi- und retro- ("prefix"), wie auch bei allen dort verzeichneten primären Combining forms, nur davon, daß diese Formen "in composition" vorkämen.
Trotz oder vielleicht auch gerade aus dieser Verunsicherung der Lexika wird deutlich, daß Surek-Beckers und Bauers Definitionen der Combining forms als "gebundener Morpheme (Formen) mit der Fähigkeit der Kombination mit gebundenen Morphemen (Formen)"
in Wahrheit nicht die Abgrenzung von den Affixen leistet.
Dies gilt sowohl für die Abgrenzung der initialen Combining forms von den Präfixen, als auch für die Abgrenzung der terminalen Combining forms von den Suffixen.
Machte man sich Bauers oder Surek-Beckers Definitionen zu eigen, so müßte man inhaltsarme, traditionell als Affixe bezeichnete Formen
wie
1.5.3.4. Distributionelle Definition Schmidts
Anders als Bauer und Surek-Becker hat Schmidt das distributionelle Dilemma zwar erkannt. Mit seiner Definition des Begriffs "Konfix", den er für die deutsche Lehnwortbildung vorschlägt, überlistet er sich jedoch nur selbst:
Ein Konfix ist nach Schmidt ein "basis- und/oder kompositionsgliedfähiges Kombinem". Unter "Kombinemen" wiederum versteht Schmidt "Wortbildungseinheiten, die nur in Kombinationen vorkommen, also nicht wortfähig sind." (Schmidt et al. 1987: 37-52) Als Basis bezeichnet man nach Bauer eine Form, "to which affixes of any kind can be added." (Bauer 1983: 21)
"Basisfähig" sind Formen nach Schmidt also dann, wenn sie als Basen Affigierungen zulassen, wie z.B. thermo- in thermal. (Schmidt et al. 1987: 42)
Entsprechend sind Formen "kompositionsgliedfähig", wenn sie als Kompositionsglieder mit anderen Kompositionsgliedern, d.h. anderen Konfixen oder Lexemen in Verbindung treten können, wie thermo- in thermophile bzw. thermonuclear. Affixe sind nach Schmidt nicht "basisfähig", weil sie keine Affigierungen zulassen.
Letztlich sagt Schmidt damit also nichts anderes, als daß der Begriff "Affix" ein Wortbildungselement bezeichnet, das nicht mit einem Affix "kann", und daß "Kompositionsglied" ein Wortbildungselement bezeichnet, das mit einem anderen Kompositionsglied "kann".
Einmal ganz abgesehen davon, daß diese Definitionen offensichtlich
zirkulär sind, lassen sie sich auf das Englische auch nicht anwenden,
denn ansonsten dürfte es dort ein Wort wie ultraism gar nicht geben:
Alle untersuchten Wörterbücher des Englischen sind sich darin einig,
daß ultra- ein Präfix und
1.6. Semantik der neoklassischen Combining forms
Aus allen bisherigen Ausführungen ergibt sich, daß eine rein distributionelle Definition der neoklassischen Combining forms, wie Bauer, Schmidt und Surek-Becker sie versuchen, nicht hilfreich zu deren Abgrenzung von den Affixen ist. Abhilfe kann hier nur eine Definition schaffen, die sich an der Distribution und der Semantik der neoklassischen Combining forms orientiert.
Im Gegensatz zu den Affixen haben Combining forms eine relativ eigenständige Bedeutung. In Martinets Terminologie könnte man Combining forms mit "autonomen Monemen" vergleichen.
1.6.1. AutonomieDer Begriff "Monem" entspricht bei Martinet dem Begriff des Morphems, der sich in der Sprachwissenschaft inzwischen international durchgesetzt hat: Kleinstes bedeutungtragendes Element einer Sprache. Auch Martinet benutzt den Begriff "Morphem", allerdings nur in bezug auf gebundene Morpheme.
"Autonom" ist ein Monem, wenn es nicht nur einen Bezug zu einem Element der Erfahrung hat, sondern auch in einem bestimmten Verhältnis zu den anderen Elementen der Erfahrung steht, die vermittelt werden sollen (Bsp.: yesterday, quickly).
Demgegenüber dient ein "funktionales Monem" nur dazu, die Funktion anzuzeigen, in der ein anderes Monem steht. (Bsp.: to in: He gives the book to John.)
Auf Wortbildungselemente angewendet, ist co- in coauthor und cohere17 ungeachtet dessen, ob es in Verbindung mit einer freien oder einer gebundenen Form steht, ein funktionales Monem (Morphem),
weil es für das funktionale Monem together steht und sich auch aus
einem funktionalen Element, nämlich lat. cum herleitet. Umgekehrt ist
1.6.1.2. Autonomie nach Pupier/Stein/Koschmieder
Pupier unterscheidet lexikalische und grammatische Einheiten: Präpositionen und Konjunktionen seien - obwohl mit eigenen Lexikoneinträgen bedacht - eigentlich keine lexikalischen Einheiten
Diesen strengen Lexembegriff legt wohl auch Stein zugrunde, wenn sie feststellt: "The meaning of combining forms largely corresponds to lexemes in English ...". (Stein 1977: 142)
Mit Koschmieder könnte man von einer "autosemantischen Funktion" der Combining forms sprechen. (Koschmieder 1957: 17)
Der Vergleich der Combining forms mit den autonomen Monemen ist insoweit problematisch, als es sich bei ihnen nicht immer um Moneme, d.h. Mono-Morpheme handelt: Viele, insbesondere viele terminale Combining forms bestehen aus zwei Monemen; je einem autonomen und einem funktionalen Monem. (Vgl.1.4.4.)
-androus
besteht aus dem autonomen Monem
-cidal (biocidal, genocidal)
besteht aus autonomem
-scopic
besteht aus autonomem
Die Beispiele mit abgeleiteten terminalen Combining forms ließen sich beliebig fortsetzen. Es handelt sich bei ihnen um Zwitterformen, Bi-Morpheme mit teils autosemantischer, teils synsemantischer Funktion.
Man kann also bei Combining forms nicht generell absolute Aussagen treffen, etwa derart, daß sie autonomen Monemen oder Lexemen
entsprächen oder daß sie rein autosemantisch seien. Mit Bauer
läßt sich nur eine Tendenz in Relation zu den Affixen festhalten:
"They (combining forms) contain a higher density of lexical information
than prefixes
Der Begriff der Autonomie ist ohnehin nie absolut zu sehen; Bauer beklagt zu Recht, daß für den Gehalt an lexikalischer Information kein objektives Maß besteht: Des Problems der Unterscheidung von lexikalischen und grammatischen
Lexikalische Dichte ist nie absolut, sondern immer relativ. Es wird daher im folgenden immer nur davon die Rede sein, daß eine Form verglichen mit einer anderen eine höhere, niedrigere oder gleich hohe Dichte an lexikalischer Information aufweist. Ab welchem Gehalt an lexikalischer Information eine Form nicht mehr als Affix, sondern als Combining form eingestuft wird, bleibt damit letztlich dem Ermessen jeder einzelnen Wörterbuchredaktion überlassen. Gegenstand von Kritik kann letztlich nur sein, daß Formen vergleichbarer "lexikalischer Dichte" inkonsistent klassifiziert werden. Das Aufzeigen solcher Inkonsistenzen wird das Thema der Kapitel 4. und 5. sein.
So unbefriedigend, weil letztlich subjektiv, das relative Kriterium lexikalischer Dichte auch sein mag: Es ist das einzige, das eine - wenn
auch sehr unscharfe - Abgrenzung der Combining forms von den
Affixen leistet. Gerade diese Unschärfe spiegelt sich ja aber auch - wie
bereits unter 1.5.3.3.
Nach der Betrachtung der neoklassischen (und evtl. pseudoklassischen) Combining forms lassen sich damit folgende Definitionen festhalten:
Combining forms sind nur gebunden vorkommende Wortbildungselemente mit relativ hohem Gehalt an lexikalischer Information. |
Affixe sind nur gebunden vorkommende Wortbildungselemente mit relativ niedrigem Gehalt an lexikalischer Information. |
Das semantische Kriterium relativ hohen bzw. niedrigen Gehaltes an lexikalischer Information dient zur Abgrenzung von Affixen und Combining forms auf der einen, von relativ frei vorkommenden Kompositionsgliedern auf der anderen Seite:
Kompositions |
Der Begriff "Kompositionsglied" ist hier nicht identisch mit dem Kompo