2. Nicht-neoklassische Combining forms
Angewandt auf nicht-neoklassische Wortbildungselemente führen diese Definitionen nun allerdings zu verblüffenden Aussagen. Das folgende Kapitel soll deshalb zunächst der Frage nachgehen, ob es auch nicht-neoklassische (oder nicht-pseudoklassische) Combining forms gibt. Unter 4. soll dann überprüft werden, ob man - wenn man diese Frage bejaht - nicht auch andere, traditionell als Affixe bezeichnete Formen unter dem vorliegenden Kriterium eines relativ hohen Gehalts an lexikalischer Information treffender als Combining forms klassifizieren könnte.
2.1. SimplexeFolgende terminale heimische Formen wurden jeweils in mindestens zwei der untersuchten Wörterbücher als Combining form oder Combining element deklariert:
Die einzige Gemeinsamkeit aller Formen ist hier wohl ihr relativ hoher Gehalt an lexikalischer Information und nicht etwa eine "Fähigkeit der Kombination mit gebundenen Morphemen oder gebundenen Morphemvarianten". Für -mas, -penny und -teen sind sowohl Verbindungen mit freien (Michaelsmas, sixpenny (Adj)., fourteen) als auch mit gebundenen Morphemvarianten belegt. So sind gebundene Allomorphe:
Christ- | [krɪs] | in Christmas | ['krɪsmǝs] | zu Christ | [kraɪst] |
half- | [heɪ] | in halfpenny | ['heɪpǝnɪ:] | zu half | [hɑ:f] |
fif- | ['fɪf] | in fifteen | ['fɪfti:n] | zu five | [faɪf] |
Für
Ausschließlich Verbindungen mit freien Formen gehen auch die folgenden, nichtklassischen initialen Formen ein. Hier aufgeführt werden jeweils nur solche Formen, die von mindestens zwei der untersuchten Wörterbücher als Combining form oder Combining element eingeordnet werden:
Die Formen
Es ist zu sehen, daß der größte Teil der oben aufgeführten nichtklassischen initialen und terminalen Combining forms also gerade keine "Fähigkeit der Kombination mit gebundenen Morphemen oder gebundenen Morphemvarianten" besitzt. Dies ist ein weiteres Argument gegen das von Surek-Becker aufgestellte Postulat.
Wie steht es nun aber damit, daß diese Formen selbst gebunden sind?
Im großen und ganzen läßt sich der gebundene Charakter der bisher
genannten nicht-neoklassischen Formen bestätigen. Gebundene Formen
sind:
Als gebundene Formen des Englischen sind solche Formen anzusehen, die sich von etymologisch mit ihnen zusammenhängenden freien
Formen entweder phonisch oder semantisch unterscheiden. Graphemische Verschiedenheit, wie sie Stein berücksichtigt, muß nicht unbedingt
Gebundenheit implizieren
2.1.4.1. Phonische Verschiedenheit
Von ihren freien Varianten unterscheiden sich phonisch:
heli- | von | helicopter | ||
maxi- | von | maximum | ||
von | middle | |||
mini- | von | miniature | ||
para- | von | parachute | ||
[pǝnɪ:] | von | penny | [pɛnɪ:] | |
[ti:n] | von | ten |
[tɛn] |
2.1.4.2. Semantische Verschiedenheit
Semantisch unterscheidet sich
Die Combining form
Von dem freien Morphem man
[mæn], [mǝn] in der Bedeutung
adult male unterscheidet sich
Auch zu der terminalen Form
Entspräche terminales
Es wäre dann weder gebundene Form, noch hätte es einen relativ hohen Gehalt an lexikalischer Information.
Man muß aber doch sagen, daß terminales
2.1.4.3. Graphemische Verschiedenheit
Stein zählt auch solche Formen zu den Combining forms, die sich von entsprechenden freien Formen nur graphemisch unterscheiden. (Stein 1977: 146)
fanci- | in | fanciful | zu | fancy |
glori- | in | glorious | zu | glory |
happi- | in | happiness | zu | happy |
penni- | in | penniless | zu | penny |
Steins sogenannte Combining forms werden in keinem der näher untersuchten Wörterbücher als solche geführt. Ob dies der Fall ist wegen zu geringer Frequenz oder, weil man der Ansicht war, daß allein unterschiedliche Schreibung noch nicht Gebundenheit impliziert, ist nicht zu klären.
Weder semantische noch phonische Unterschiede zu freien Morphemen
sind bei den ja doch immerhin von zwei Wörterbüchern sogenannten
Combining forms
queer-bashing | heißt | bashing of queers, | 'Schwulen-Klatschen', |
sugarfree | heißt | free of sugar, | 'zuckerfrei' |
fireproof | heißt | proof of fire, | 'feuerfest'. |
Von
Allein bei Collins und Webster's erscheint daher unklar, was hier
mit der Klassifizierung von freien Kompositionsgliedern wie
Soll bei Webster's und Collins mit dem Etikett "Combining form"
lediglich zum Ausdruck kommen, daß
Vielleicht ist aber nicht die Frequenz einer Wortbildungsform entscheidend, sondern nur deren Produktivität; Vielleicht wollen Collins
und Webster's ihren Benutzern mit dem Begriff "Combining form"
nur anzeigen, daß es sich hier um einen Baustein handelt, mit dem
man ad hoc selbst Wörter schöpfen kann. Was Spontanbildungen
Mit dem vermuteten Kriterium der Produktivität reimt sich allerdings nicht zusammen, daß Collins
Ohnehin taugen weder hohe Frequenz noch hohe Produktivität als
Definitionskriterien für Combining forms. Viele freie heimische Formen
sind als Wortbildungselemente bei weitem frequenter und produktiver
als manche neoklassische Combining form: Bei einem Vergleich von
Formen gleicher oder ähnlicher Bedeutung erscheinen letztere in puncto
Frequenz und Produktivität aufgrund ausschließlich fachsprachlicher
Verwendung doch sehr eingeschränkt: Während Longman jeweils über
40 Verbindungen auf
Von allen genannten heimischen Elementen wird bei Longman
aber nur self- als Combining form geführt. Sollte Longman Frequenz
oder Produktivität zugrundegelegt haben, so mißt es hier mit zweierlei
Maß; einem für heimische und einem für neoklassische Formen.
Hierfür besteht aber gar kein Anlaß: Da Komposita üblicherweise
als Verbindungen freier Formen definiert sind, sind für die freien
Formen
2.2. Komplexe terminale Formen
2.2.1. Der Typ 'palefaced'
Von hoher Frequenz und Produktivität sind auch terminale Elemente
in Bildungen vom Typ
Wie Marchand nachweist, handelt es sich beim Typ 'palefaced' um
die Suffigierung einer syntaktischen Gruppe: Das Suffix
Im Englischen kann feathered verschiedene Bedeutungen haben:
Vom Verb to
Letzteren Typ von Suffigierung lassen nun aber im Englischen
nicht nur Simplexe wie
In der Schreibung und der Lautung können die Ableitungen von
den zugrundeliegenden Formen abweichen: a big belly aber
Wegen dieser unmittelbaren Konstituenten erscheint es auch nicht
gerechtfertigt,
Statt von zwei geht das OED also von drei unmittelbaren Konstituenten aus: An die Konstituente face träten nach der Analyse des
OED gleichzeitig die beiden anderen Konstituenten pale- und
Da aber die syntaktische Gruppe pale face im Unterschied zu
frz.
2.2.1.2. Immediate Constituent Analysis
Die fraglichen Elemente, die alle untersuchten Wörterbücher nur auf
der Grundlage einer eigentlich falschen, aus pragmatischen Gründen
aber gerechtfertigten Konstituenten
Das ist es durchaus, denn auch gebundene Formen des Typs
autonomes Morphem | funktionales Morphem | |
fac(e)- | + | -ed (having) |
andr- (male organ(s)) | + | -ous (having) |
Besonders auffällig sind die Parallelen der Formen
Bei dem nicht-neoklassischen wie bei dem neoklassischen Bildungsmuster stellt sich die Frage, ob Combining forms mit der Analyse unmittelbarer Konstituenten überhaupt in Einklang zu bringen sind, in gleicher Weise:
statt: | two- | + | |
bi- | + | |
|
doch wohl eher: | two |
+ | |
|
+ | |
2.2.1.3. Hybridbildung mit neoklassischen Combining forms
Es spricht daher nichts dagegen, auch Formen vom Typ
multi-authored, | ||
multi-bladed, | ||
multi-coloured, | ||
multi-faced, | uni-faced, | |
uni-flowered, | ||
multi-layered, | ||
multi-lobed, | uni-lobed, | |
uni-nerved, | ||
multi-sided, | ||
multi-volumed. |
2.2.2. Der Typ
Mit einer unmittelbaren Konstituentenanalyse sind Formen auf
Auch
Auch diese Formen kann man, da sie einerseits gebunden sind
und andererseits einen hohen Gehalt an lexikalischer Information
haben, ohne weiteres als Combining forms bezeichnen. Allerdings
erscheint es inkonsequent, daß dann nicht auch gebundene Formen,
die in Verbindung mit Ordinalzahlen auftreten, als Combining forms
bezeichnet werden. So etwa:
Neoklassische Herkunft ist keine notwendige Bedingung der Combining
forms. Alle fünf näher untersuchten Wörterbücher führen auch
Combining forms, die auf heimische Etyma zurückzuführen sind.
Selbst das ansonsten sehr zurückhaltende OED verzeichnet
Die neue Definition der Combining forms kann auch auf nicht-neoklassische Formen angewendet werden. Sie erfaßt dann fast alle heimischen oder sonstigen nicht-neoklassischen Formen, die in mehr als nur einem der untersuchten Wörterbücher als Combining form klassifiziert werden:
Combining forms sind nur gebunden vorkommende Wortbildungselemente mit relativ hohem Gehalt an lexikalischer Information. |
Nicht erfaßt werden mit gleicher Bedeutung und Lautung auch frei
vorkommende Formen wie
Frequenz und Produktivität sind zwar für die meisten Combining forms charakteristisch aber kein notwendiges Merkmal, wie die heimischen Formen
Kompositionsglieder sind Wortbildungselemente, die mit gleicher Bedeutung und Lautung auch als freie Wortformen existieren. |
Auch nicht-neoklassische Combining forms sind nicht unbedingt Morpheme. Nicht-neoklassische Combining forms