Zur Startseite

6. Zusammenfassung

In der Wortbildung muß man sich von rein distributionellen Definitionen verabschieden: Man kann den Begriff "Wurzel" nicht wie Bauer über das Affix definieren,

"It (a root) is that part of a word-form that remains when all inflectional and derivational affixes have been removed", (Bauer 1983: 20)

wenn man sich umgekehrt, in bezug auf Affixe eine Definition über die Wurzel zu eigen zu macht:

"... affixes are frequently defined by their ability to co-occur with bases, which contain roots." (Bauer 1983: 214)

Wurzeln wie Affixe müssen, um eine Zirkeldefinition zu vermeiden, semantisch definiert werden. Das Rüstzeug für eine semantische Unterscheidung liefert Martinet mit seinen autonomen bzw. funktionalen Monemen. Wurzeln entsprechen ersterem, Affixe und Funktionswörter entsprechen letzterem Typ. (Martinet 1960: 108)

Morphe autonom (Wurzeln) funktional
frei Lexeme Funktionswörter
gebunden Combining forms
evtl.: unikale Morphe
Affixe

Wurzeln, die auch frei als Wort auftreten, sind Lexeme (child in childish). Tritt eine Wurzel nur gebunden, d.h. in Verbindung mit anderen Formen auf, so handelt es sich um eine Combining form (astro- in astrology und astral). Ist eine Wurzel nur in einer einzigen Verbindung belegt, so handelt es sich um ein unikales Morph. Unikale Morphe (cran- in cranberry, speedo- in speedometer) kann man entweder getrennt oder zusammen mit den Combining forms erfassen.

Affixe existieren nur gebunden, d.h. in Verbindung mit anderen Elementen. Die Annahme, daß dieses andere Element mindestens eine Wurzel enthalten muß, ist irrig, wie das Beispiel ultraism, eine Verbindung zweier Affixe belegt.

Combining forms bestehen zwar häufig aus genau einer Wurzel, können aber auch aus mehreren Wurzeln (zoologico-) oder aus einer Wurzel und einem Affix (anatomico-, -gynous, -bellied) bestehen. Eine Definition der Combining forms über die Wurzeln ist daher wenig hilfreich. Besser ist es, Combining forms direkt in Analogie zu Martinets autonomen Monemen, und Affixe in Analogie zu dessen funktionalen Monemen zu definieren.

Combining forms sind nur gebunden vorkommende Wortbildungselemente mit relativ hohem Gehalt an lexikalischer Information.


Affixe sind nur gebunden vorkommende Wortbildungselemente mit relativ niedrigem Gehalt an lexikalischer Information.

Autonomie, Funktionalität und der Gehalt an lexikalischer Information sind immer relative Kriterien. Funktionale Elemente tragen auch lexikalische Information (z.B. der unbestimmte Artikel a als Zahlwort). Autonome Elemente erfüllen teilweise auch grammatische Funktionen (z.B. Pro-Formen). Wo man die Trennungslinie zwischen Combining forms und den Affixen ansetzt, bleibt damit letztlich willkürlich - genauso willkürlich, wie die Unterscheidung zwischen Wurzeln und Affixen. Vieles haben Combining forms und Affixe gemeinsam:

  • Bei beiden Typen von Wortbildungselementen handelt es sich um gebundene Formen. Combining forms wie Affixe können neoklassischen wie nicht-neoklassischen Ursprungs sein.

  • Es existieren sowohl initiale als auch terminale Combining forms in Analogie zu Präfixen und Suffixen.

  • Es gibt frequente und weniger frequente Combining forms (auto-, -man vs. erythro-, -scape). Genauso gibt es frequente und weniger frequente Affixe (re-, -al vs. be- in befog, befool (Web)).

  • Ähnlich verhält es sich mit der Produktivität von Combining forms (mini-, -logy vs. -mas) und Affixen (re-, -ist vs. a- in asleep, a-running, afoot (Web)).

  • Combining forms (zoologico-, -bellied) wie Affixe (-istic) müssen nicht unbedingt Morpheme sein.

Kaum Unterschiede in der Charakteristik; eine letztlich willkürliche Trennung über den relativen Gehalt an lexikalischem Inhalt: Aus all dem kann man die Konsequenz ziehen und Präfixe, Suffixe und Combining forms unterschiedslos - wie Urdang - als wortinitiale bzw. wortterminale Elemente (Urdang 1982, 1984) oder - wie das AHD - einfach als Präfixe bzw. Suffixe bezeichnen. Die Begriffe "Präfix", "Suffix", "wortinitiales" bzw. "wortterminales Element" heißen dann allerdings nichts weiter als "gebundene Form".

Gegen solche Inhaltsarmut des Begriffs "Affix" spricht, daß er sich als Pendant zum Begriff "Wurzel" in der Linguistik als nützlich erwiesen hat. Die Nützlichkeit dieser Begriffe beruht aber - auch wenn viele Sprachwissenschaftler dies nicht wahrhaben wollen - einzig darin, daß Wurzeln und Affixe einen unterschiedlichen Gehalt an lexikalischer Information tragen. Man muß daher auch den Combining forms eine Daseinsberechtigung zuerkennen, denn wenn man das Affix nur als gebundene Form verstünde, so müßte man von Formen reden, die beides sind, sowohl Affix als auch Wurzel. Deren Unterscheidung wäre damit hinfällig.

Will man aber diese Unterscheidung beibehalten, so muß die Devise sein, den Begriff "Combining form" nicht - wie das AHD - nur zu verzeichnen, sondern ihn auch zu benutzen. Dies tun vier führende englisch-sprachige Wörterbücher: Collins, Longman, das OED und Webster's. Was bei diesen die Combining form ist, entspricht bei Chambers meistens dem Etikett "in composition". An begrifflicher Konsistenz lassen aber alle fünf Wörterbücher noch zu wünschen übrig, wie auch der folgende Anhang nochmals zeigt.

7. Anhang
7.0. Erläuterungen

Die fünf näher untersuchten Wörterbücher verwenden den Begriff der "Combining form" nicht durchgängig und häufig einander widersprechend.

Neoklassische und nicht-neoklassische Formen werden hier separat verzeichnet. Unter 7.1. werden ausschließlich die neoklassischen Formen verzeichnet, die im Text der vorliegenden Arbeit erwähnt wurden. Initiale und terminale Formen werden dabei wegen häufig gleicher Etyma gemeinsam in einem alphabetischen Verzeichnis geführt. Initiale bzw terminale Position wird hier durch einen Trennungsstrich gekennzeichnet, der in der Kombination zumeist nicht geschrieben wird. Von der alphabetischen Reihenfolge wird manchmal leicht abgewichen, um Mutter- und abgeleitete Formen zusammen zu führen. Bei initialen Formen ist der Fugenvokal in der Kombination mit einem in Klammern angegebenen vokalisch anlautenden Beispiel zu streichen. (Ausnahme: ultra + ism)

Unter 7.2. werden alle nicht-neoklassischen Formen verzeichnet, die in mindestens einem der fünf Wörterbücher als "Combining form" oder bei Chambers mit dem Zusatz "in composition" entdeckt wurden; d.h. auch solche, die im Text nicht diskutiert wurden. Hier ist der "Trennungsstrich" oft (je nach Kombination) ein Bindestrich, d.h. er wird mitgeschrieben, oder die Kombination schreibt sich sogar in zwei Wörtern ohne Bindestrich. Es werden thematische Gruppen gebildet:

Unter 7.3. wird Korrespondenz mit den Verlagen Collins Publishers, Longman Dictionaries, Oxford University Press und Webster's New World dokumentiert, die, was deren Hauptanliegen einer rechnergestützten Materialsammlung betraf, aus Gründen des Urheberrechts bzw. der Kompatibilität von Betriebssystemen leider im Sande verlief.

7.0.1. Bezeichnungen der Wörterbücher

Um eine tabellarische Übersicht zu ermöglichen, ist es notwendig, die oft sehr umständlichen Konkurrenzbezeichnungen der Wörterbücher abzukürzen:

appd. to sbs. appended to substantives arbit. deriv. arbitrary derivation
back-
form.
backformation comb. elem. combining element
comb. form combining form endg. ending
final elem. final element fmtv. elenm. formative element
Greek term. Greek termination in comb. in combination
in comp. in composition in cpds. in compounds
in deriv. in derivations intl. elem. initial element
prec. by ... preceded by ... prfx. prefix
ps. parasynthetic shor-
teng.
shortening
tmnl. elem. terminal element with defg. with defining element
with num. with numeral with pf. n. with prefixed noun
with prfx. with prefix with qual. with qualifying element
word fg. elem. word forming element 1st elem. first element
1st sylbl. first syllable 2nd elem. second element

In der Spalte "Etymologie" der neoklassischen Formen (7.1.) handelt es sich bei griechischer Schreibung auch um griechische Etyma. Bei lateinischer Graphie wird die Herkunftssprache wie folgt angegeben:

A. Arabic
C. Chinese
F. French
G. High German
L. Latin

7.0.2. Eigene Bezeichnungen

Bei fehlender Klassifizierung durch das Wörterbuch werden außerdem folgende Symbole benutzt:

"-" bedeutet, daß die Form (bei terminalen: in dieser Wortklasse) weder als freie noch als gebundene Form verzeichnet ist.
"frei" bedeutet, daß das Wörterbuch die Form führt, ohne auf deren gebundene Verwendung hinzuweisen oder diese zu exemplifizieren.
"Bsp." bedeutet, daß das Wörterbuch zwar nicht explizit auf die gebundene Verwendung hinweist, aber dafür Beispiele führt.
"^" bedeutet einen Verweis auf eine oben aufgeführte Form.

Bezugshinweis für den Anhang

Zur Startseite